Halbherziger Bürokratieabbau: Reform des Bildungszeitgesetzes verpasst selbstgestecktes Ziel der Bürokratieverringerung

Die vom baden-württembergischen Landtag Anfang Februar verabschiedete Reform des Bildungszeitgesetzes tritt zum 1. Juli 2021 in Kraft. Mit der Reform möchte die Landesregierung den bürokratischen Aufwand für die Unternehmen reduzieren und die Bildungszeitmöglichkeiten von Mitarbeitern klarer und attraktiver regeln. Statt aber das gerade bei Arbeitgebern umstrittene Gesetz sinnvoll zu überarbeiten, wird die Chance zur Bürokratieverringerung vertan.

Bildungsangebote des Bildungszeitgesetzes sind nur solche, wenn der Bildungsträger zuvor ein Gütesiegel erworben hat. Der Erwerb eines solchen Gütesiegels ist aber teuer und aufwendig. Der Landesverband der Freien Berufe (LFB) wies in der Vergangenheit schon mehrfach darauf hin, dass der Erwerb eines Gütesiegels zumindest für Kammern, die der Staatsaufsicht unterstehen, ein unnötiger Formalismus darstellt. Mit dem Gütesiegel soll dem zuständigen Ministerium die Qualität der Bildungsarbeit nachgewiesen werden. Durch die Aufsichtsfunktion der Ministerien findet ein solcher Nachweis bei den Kammern aber schon regelmäßig statt. Ein Gütesiegel ist daher für die betroffenen öffentlich-rechtlichen Körperschaften schlicht unnötig.

Dieser Sicht schloss sich in der Vergangenheit auch der Normenkontrollrat Baden-Württemberg an und forderte die Landesregierung auf, auf ein solches Gütesiegel bei Kammern zu verzichten. Auch im aktuellen Anhörungsverfahren zur Reform des Bildungszeitgesetzes erneuerte der Normenkontrollrat seine Forderung. Die Notwendigkeit, auch bei öffentlich-rechtlichen Körperschaften ein Gütesiegel zu verlangen, wäre nach wie vor eine bürokratische Anforderung, auf die verzichtet werden sollte, so der Normenkontrollrat in seiner Stellungnahme. Die Landesregierung nahm aber weder den Hinweis des LFB, noch den des Normenkontrollrates auf und behielt kommentarlos die bisherige Regelung bei.

„Wir sind enttäuscht, dass die Landesregierung ihr selbstgestecktes Ziel bei der Reform des Bildungszeitgesetzes nach Bürokratieverringerung verpasst“, erklärt Dr. Björn Demuth, Präsident des LFB. „Die Änderungen sind halbherzig. Es wäre schön gewesen, wenn die Landesregierung etwas mehr Vertrauen in den von ihr selbst eingesetzten Normenkontrollrat hätte. Die Forderung, dass sich Kammern für das Bildungszeitgesetz zertifizieren lassen müssen, um eine anerkannte Fortbildungsmaßnahme nach dem Bildungszeitgesetz anbieten zu dürfen, ist nicht verständlich. Wer, wenn nicht die spezialisierten Kammern der Freien Berufe, soll denn mehr Know-How besitzen und wer soll diejenigen, die das Gütesiegel vergeben, beaufsichtigen?“

Aus Sicht des LFB wurde eine einfache Möglichkeit vertan, den Ankündigungen nach Bürokratieabbau Folge zu leisten. „Wenn es schon im Kleinen nicht mehr gelingt, dass unnötige Hürden und Vorgaben auch wieder einkassiert und abgebaut werden, wird es schwierig, dies bei den großen Projekten durchzusetzen“, so Dr. Demuth.